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Kinder
& Umwelt – Vorwort
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Vorwort
Heinz Hilgers
Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes e.V.
Kinder in Deutschland, zwei Jahre vor der Jahrtausendwende. Es wird
mehr über sie gesprochen, sie werden immer mehr zum Problem,
gesundes Aufwachsen in sozialer Sicherheit wird für viele zum
unerreichbaren Wunschtraum. Einige Beispiele illustrieren dies:
Obwohl Deutschland eines der reichsten Länder der Welt ist, leben
über zwei Millionen der 15,6 Millionen Menschen unter 18 Jahren in
Armut. Und es steht schlecht um die Zukunftschancen dieser jungen
Menschen: Ihre psychische und physische Gesundheit ist gefährdet,
ihre Bildungsper- spektiven sind reduziert, die Möglichkeiten, ihr
Leben in unserer Gesellschaft eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu
gestalten, werden in absehbarer Zukunft kaum besser.
Schlecht bestellt ist es auch um die Sicherheit unserer Kinder im
täglichen Straßenverkehr. Hier ist die
Auto-Nation Deutschland noch immer zweifelhafter
Spitzenreiter: Der motorisierte Straßenverkehr fordert in
Deutschland mehr Opfer als in allen anderen europäischen
Ländern. 48 500 Kinder verunglückten 1996, 358 wurden
getötet und über 12.000 schwer verletzt. Wann wird endlich
der Schutz unserer Kinder im Straßenverkehr höher bewertet
als die »freie Fahrt für freie Bürger«?
Erhebliche Belastungen im täglichen Leben erfahren die Kinder, die
unter den »neuen Kinderkrankheiten« leiden. 34 Prozent
aller
Kinder haben es mit Allergien zu tun und nur 28 Prozent aller Kinder
geben an, daß sie frei von psychosomatischen Beschwerden seien.
Eine besonders dunkle Stunde der deutschen Kinderpolitik lieferte der
Bundestag, als er im September das Kindschaftsrecht reformierte und es
dabei verabsäumte, das Gebot der gewaltfreien Erziehung im
Bürgerlichen Gesetzbuch zu verankern. Weiterhin können sich
in
Deutschland Eltern, die ihre Kinder schlagen, darauf berufen, daß
ihnen dies vom Gesetzgeber erlaubt ist. Lediglich die Schwelle zur
körperlichen Mißhandlung darf nicht überschritten
werden. Und das, obwohl hinlänglich bekannt ist, daß
beispielsweise Gewalt und Delinquenz von Jugendlichen in einem un-
mittelbaren Zusammenhang stehen mit der Gewalterfahrung in der eigenen
Erziehung.
Eine Vielzahl von Studien der letzten Jahre belegen, daß die
Sorgen um einen Arbeitsplatz, um eine menschliche Umwelt, um ein Leben
ohne gewaltsame Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen
besorgniserregende Dimensionen angenommen haben.
Doch es gibt auch einen Silberstreif am Horizont: Eine aufgeklärte
öffentlichkeit nimmt sich zunehmend der Probleme unserer Kinder
an.
Ge- wachsen ist die Erkenntnis, daß die Mitwirkung von Kindern an
Entschei- dungsprozessen große Bedeutung hat, und daß sie
Foren und Podien brauchen, um ihre Sichtweisen kundzutun. Die
Verabschiedung der UN- Kinderrechtskonvention verpflichtet die Staaten
im übrigen, die Rechte der Kinder auf Schutz, Versorgung und
Partizipation umzusetzen. Kinderpolitik muß zum zentralen Thema
der nächsten Wahlkämpfe werden. Den langen Reden über
die Bedeutung der gesellschaftlichen »Ressource«Kinder
muß endlich das Handeln für Kinder folgen.
Heinz Hilgers |
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